Wie schaffe ich Harmonie im Mehrkatzenhaushalt?

Vorausgeschickt sei, dass es sich hier nicht um eine Handlungsanweisung oder eine Empfehlung handelt, sondern ich lediglich von meinen persönlichen Erfahrungen berichte. Jede Situation und jede Katze sind anders. Vielleicht findet aber der oder die ein oder andere hier ein paar Anregungen für eine anstehende Zusammenführung.

Zu unsere Ausgangssituation

Im Januar mussten wir unseren Kater Puck nach nur zwölf gemeinsamen Jahren über die Regenbogenbrücke gehen lassen. Zurück blieben mein Freund und ich, der kleine achtjährige Kater Pablo* und eine große Lücke. Pablo hatten wir vor zwei Jahren über Animal Help Espania als Gesellschafter für Puck adoptiert.

Das „Problem“ bei Pablo: Er ist nicht einfach nur schüchtern, sondern tatsächlich richtig ängstlich. Wir wissen nicht viel über seine Vergangenheit, aber sie hat ihn ein Auge und einen Großteil seines Schwänzchens gekostet. Auch nach zwei Jahren lässt er sich kaum und zumindest nicht entspannt hochheben oder festhalten. Begegnet er uns zum Beispiel im Flur, läuft er zügig an uns vorbei. Und für den Tierarztbesuch braucht er ein Beruhigungsmittel. Trotzdem ist Pablo ein lieber Kater, er ist verspielt und holt sich seine Streicheleinheiten (er bevorzugt Köpfchenkraulen) bei uns, wenn er sie braucht. 


Unser kleiner „Pirat“ Pablo – hier ahnt er noch nicht was auf ihn zukommt.

Natürlich haben wir hin und her überlegt wie es für Pablo weitergehen sollte. Mit Puck hatte ihn nie eine innige Freundschaft verbunden, aber die beiden haben sich akzeptiert und Gesellschaft geleistet. Als Einzelkater schien Pablo „aufzublühen“ als er merkte, dass die Wohnung jetzt ihm alleine gehörte. Wollte er vielleicht gar keine Gesellschaft? Andererseits hatte er oft versucht Puck zum Spielen zu animieren. Aktuell sind wir im Home Office, aber was wäre, wenn wir wieder im Büro und Pablo alleine zu Hause sitzen würde?

Ich bin davon überzeugt, dass es nur sehr wenige Wohnungskatzen gibt, die tatsächlich das Leben als Einzelgänger vorziehen. Aber wen sollte man dazu adoptieren? Einen Kater im gleichen Alter mit ähnlichem Temperament? Gar nicht so leicht zu finden. Und er ist ja so ängstlich, da könnte eine ältere Katze auch eine Bedrohung sein. Vielleicht ein Kitten vor dem er keine Angst haben muss? Dann vielleicht lieber gleich zwei, damit sie sich gegenseitig auspowern und ihm nicht auf den Keks gehen? Katze oder Kater? Wir haben alle möglichen Konstellationen durchgespielt und waren natürlich auch mit dem Katzenteam von Animal Help Espania dazu im Austausch. 

Und dann ergaben sich die Dinge schnell von selbst. Der Transporter war gerade in Spanien und da saßen noch zwei junge Damen in ASOKA, die auf ein neues Zuhause warteten: Schwestern, ein Jahr alt, verschmust, gesellig, etwas ruhiger als die anderen Kätzchen. Und spontan fiel die Entscheidung die beiden zunächst als Pflegestelle aufzunehmen und zu sehen, wie sie sich mit Pablo verstehen würden. 

Ein holpriger Start

Eine Woche später saß ich dann in Quarantäne zu Hause als die beiden Minis bei Schneesturm in München ankamen. Wir haben die beiden in unser Arbeitszimmer gebracht und die Boxen geöffnet. Und sofort kamen zwei laut miauende, kleine Kätzchen herausgestürmt, die aufgeregt das ganze Zimmer erkundeten. Nachdem die beiden mit frischem Wasser und Futter versorgt waren, haben wir sie erstmal schlafen gelassen. Obwohl Pina* und Poe* bei ihrer Ankunft noch so forsch das Zimmer erkundet hatten, sahen wir die beiden in der nächsten Woche eher selten. Zusammengekuschelt lagen die beiden zwischen Sofa und Wand und sahen uns aus großen, ängstlichen Augen an. Die ersten Tage stellten wir sogar eine kleine Kamera auf, um die beiden beim Essen zu beobachten, wenn wir den Raum verließen. Langsam fassten die Beiden dann aber Vertrauen zu uns (ich denke es lag daran, dass ich ihnen Harry Potter vorgelesen habe, ganz bestimmt war das ausschlaggebend). Die beiden stellten sich schnell als sehr verspielt, energiegeladen und streichelbedürftig heraus.


Die zwei Minis hinter dem Sofa


Die zwei Minis auf dem Sofa

In der zweiten Woche wollten wir dann den nächsten Schritt gehen und installierten ein Netz vor der Tür des Arbeitszimmers und fingen mit ersten geschützten Begegnungen zwischen Pablo und den Neuankömmlingen an. Die ersten Reaktionen waren spannend, aber nicht unbedingt aufmunternd. Während die beiden Minis bei Pablos Anblick aufgeregt maunzten und versuchten durch das Netz zu ihm zu gelangen, machte sich der kleine Angsthase ganz klein und fauchte die beiden an. Ein eher holpriger Start …

Also, immer wieder kurze Begegnungen mit dem sicheren Netz zwischen den Katzen initiieren und unbedingt mit Leckerlis belohnen, um den Anblick der Neuankömmlinge mit etwas Positivem zu verknüpfen. So ging das eine Woche. Aber Pablo hatte schnell verstanden, wo der „Feind“ saß und ließ sich dann nicht mehr in die Nähe der besagten Tür bewegen. Es war aber schnell klar, dass keine der Katzen gefährliche Aggressionen zeigte und wir zumindest schon mal in dieser Hinsicht beruhigt waren. Es war sehr unwahrscheinlich, dass sie sich angreifen und verletzen würden. Daher entschieden wir in der dritten Woche dann auch die Gittertür abzunehmen und die Drei zusammen zu lassen. Das lief dann in etwa wie erwartet: Pablo fauchte die Kleinen an und rannte bei nächster Gelegenheit an ihnen vorbei ins Schlafzimmer, um sich dort in seiner Lieblingsbox zu verstecken. Die Minis wiederum waren aber sehr interessiert an Pablo und liefen immer mal wieder zu ihm hin. Aber das Fauchen und Knurren haben sie wohl kapiert und die Wohnung zu erkunden war ja dann auch irgendwie erst mal spannender als die Grumpy Cat im Schlafzimmer.

Die nächsten Wochen waren eher frustrierend. Es lief dann erstmal so, dass wir die Minis zum Essen wieder ins Arbeitszimmer sperrten und Pablo in der Zeit den Rest der Wohnung für sich hatte. Das fanden Pina und Poe natürlich überhaupt nicht cool. Aber so konnte sich Pablo zwischendurch hinauswagen, frische Luft auf dem Balkon schnappen und dann verzog er sich eh wieder ins Schlafzimmer. Nachts durfte Pablo (wie immer) bei uns schlafen und die Minis hatten den Rest der Wohnung für sich. 

Die Situation hat mich insgesamt aber ziemlich traurig gemacht, denn Pablo hat sich sehr zurückgezogen und war natürlich tagsüber selten bei uns und setzte sich auch abends nicht mehr zu uns aufs Sofa. Er empfand die zwei Kleinen als Eindringlinge und ging ihnen aus dem Weg. 

 
Pablo in Sicherheit im Schlafzimmer.

Licht am Ende des Tunnels

Natürlich habe ich Freund*innen und Kolleg*innen von meiner Katzensituation zu Hause berichtet und von Pablos Angewohnheit den ganzen Tag in seiner Kiste im Schlafzimmer zu verbringen. Eine Kollegin sagte zu mir: „Kannst du das Schlafzimmer nicht einfach absperren?“, woraufhin ich natürlich entsetzt reagierte. „Ich kann dem armen verängstigten Kater doch nicht seine einzige Zuflucht klauen.“

Eine Woche später sperrte ich die Schlafzimmertür ab und nahm Pablo damit seinen Zufluchtsort. Es kam nicht so gut an, aber er legte sich stattdessen im Wohnzimmer in den Kratzbaum und harrte der Dinge. Den Begegnungen mit Pina und Poe konnte er jetzt nicht mehr so einfach entgehen. Und ja, am Anfang gab es noch viel Gefauche und Geknurre (übrigens immer nur von Pablo, niemals von den Minis). Aber mit jedem Tag wurde es tatsächlich ein kleines bisschen besser. 

 
Pablo beobachtet Poe auf dem Balkon aus sicherer Entfernung.

Dann beschloss ich unsere Spieleinheiten zusammenzulegen. Während ich vorher mit den Minis und Pablo getrennt gespielt hatte, wurde das jetzt kurzerhand zusammengelegt. Was für ein tolles Gefühl als das tatsächlich klappte! Während Poe und Pina wie die Wilden hinter der Angel herrennen, auf den Kratzbaum springen, sich in die Lüfte erheben und Pirouetten drehen, sitzt Pablo sicher hinter einem massiven Tischbein und wartet ab, bis das Vögelchen sich mal zu ihm verirrt. Nur um dann blitzschnell zuzuschlagen. Es ist sehr lustig das zu beobachten. Die gemeinsame Spielzeit hat definitiv geholfen auf dem Weg in einen entspannten Dreikatzenhaushalt. 


Suchbild: Pablo versteckt sich vor den Minis.

Zufällig stand jetzt auch Pablos jährlicher Check-up an und beim Tierarzt kam heraus, dass er eine Zahnsanierung brauchte. Dabei wurde FORL diagnostiziert und er verlor insgesamt acht Zähne. Die Tierärztin sagte uns auch, dass Pablo vermutlich schon seit Längerem Zahnschmerzen hatte. Abgesehen von meinem schlechten Gewissen, da ich das nicht bemerkt hatte, wurde Pablo nach seiner OP wiederum ein Stückchen gelassener gegenüber Poe und Pina. War vielleicht ein Teil seiner Ablehnung auch auf Zahnschmerzen zurückzuführen? Denn plötzlich entdeckte ich Pablo und Poe nebeneinander auf dem Kratzbaum oder Pablo mit Pina auf dem Sofa. Kleine Schritte – bis das Fauchen dann irgendwann vorbei war. 


Der schwarze Klecks links ist Pablo. Rechts neben ihm chillt Poe.


Auch bei Pablo und Pina wird der Sicherheitsabstand kleiner.

Und so sieht es heute aus

Aktuell bin ich absolut happy und zufrieden mit der Situation bei uns zu Hause. Wir spielen jeden Tag alle zusammen und Pablo wird dabei immer mutiger. Zusätzlich haben wir vor ein paar Wochen mit dem Clickertraining angefangen und das macht auch allen Spaß. „Sitz", „Männchen“ und "High Five" können zum Beispiel schon alle drei. 

Neulich saßen Poe und Pablo dann neben mir auf dem Sofa und auf einmal fing Poe tatsächlich an Pablo zu putzen! Ich war natürlich total aufgeregt, erstarrte in meiner Bewegung und sah zu wie Poe ihm ausführlich den Kopf schleckte. Pablo machte ein etwas dussliges und verwirrtes Gesicht dabei. Schließlich ist es viele Jahre her, dass er von einer anderen Katze geputzt wurde. Aber es schien ihm auch zu gefallen. Seitdem beobachte ich die beiden öfter wie sie sich im Spiel gegenseitig durch die Zimmer jagen. 

Mit Pina ist es noch nicht ganz so idyllisch, sie verjagt ihn gerne oder gibt ihm eins mit der Pfote mit, wenn er ihr beim Clickertraining zu nahe kommt. Aber ich bin mittlerweile sehr zuversichtlich, dass wir das auch noch hinbekommen werden. Auch hier konnten schon gemeinsame Spiele beobachtet werden. 


Der Sicherheitsabstand wird immer weiter reduziert.

Mein Fazit

Die Minis sind jetzt bald ein halbes Jahr bei uns. Ich habe diese Zeit für mich rekapituliert und denke, dass diese vier Faktoren uns geholfen haben:

  1. Wir sind es langsam angegangen und haben die Katzen erst nach zwei Wochen zusammengelassen. Ich denke, dass das für alle Beteiligten gut war und bin froh, dass wir uns die Zeit genommen haben. 
  2. Ein Meilenstein war definitiv die geschlossene Schlafzimmertür. Es fiel mir nicht leicht, aber Pablo musste raus aus seiner Komfortzone, um die Minis kennenzulernen. 
  3. Das gemeinsame Spiel macht allen Spaß und Pablo konnte so viel beobachten und Pina und Poe mit etwas Positivem verknüpfen.
  4. Und zuletzt denke ich, dass auch die Zahn-OP ihren Teil beigetragen hat. Das nächste Mal würde ich vor dem Einzug einer neuen Katze zum Arzt gehen und einen Check-up machen. Auch wenn die Impfung eigentlich noch nicht dran ist. 

Lektüreempfehlung

Natürlich hatte ich vor dem Einzug der Minis recherchiert wie man so eine Zusammenführung am besten hinbekommt. Dabei habe ich ein Buch gefunden, das mir gute Anregungen gegeben hat, auch wenn ich nicht genug Geduld hatte, die Methode konsequent bis zum Ende durchzuführen. Ich empfehle also „Katzenzusammenführung mit Herz und Verstand“ von Christine Hauschild, im Selbstverlag erschienen.

Dank

Ganz lieben Dank an Nadja und Elke vom AHE-Katzenteam, die mir in der ganzen Zeit mit Rat und Tat zur Seite standen!

von Lena

*Alle Namen wurden von der Autorin geändert.
Pablo = Alex https://animal-help-espania.de/erinnerungen/vermittelte-tiere/110-erfolge-2019/10372-a-29-07-2019?ic=1
Pina = India; Poe = Ivana https://animal-help-espania.de/erinnerungen/vermittelte-tiere/127-erfolge-2022/11023-a-21-09-2021?ic=1